Aus meiner Sicht verspricht das Jahr 2012, für Fotografen ein ganz besonders spannendes Jahr zu werden. Seinen Höhepunkt wird es sicherlich im Spätsommer erreichen, wenn in Köln wieder die Photokina startet. Doch bis dahin wollen viele Hersteller nicht mehr warten. Schon Anfang Januar wurden auf der CES in Las Vegas aufregende Neuigkeiten präsentiert. Neuvorstellungen, die es nicht nach Las Vegas geschafft haben, werden dann im Februar auf der CP+ in Yokohama zu sehen sein. Ich habe einmal versucht zusammenzufassen, was uns die Kameraindustrie in 2012 bescheren wird.
Schon jetzt zeichnet sich ab: Das Jahr 2012 wird spiegellos, klassische DSLRs verlieren zunehmend an Bedeutung. Von den 20 am meisten verkauften Systemkameras war noch 2009 in Japan nicht einmal jede vierte eine spiegellose Systemkamera (CSC, Compact System Camera), DSLRs hatten noch einen Anteil von rund 75 Prozent. Im zurückliegenden Jahr ist der DSLR-Anteil auf gerade einmal etwas über 50 Prozent geschrumpft. Im Gegenzug wuchs der Anteil an CSC auf knapp ein Drittel.

Der Markanteil der Spiegellosen wächst stetig. (Die Zahlen beziehen sich nur auf die 20 am häufigsten verkauften Kameras. K.A. bezeichnet den Anteil, den die übrigen Kameras ausmachen.)
In Europa aber auch in den USA steigt der Marktanteil der Spiegellosen noch nicht so schnell wie in Fernost. Doch es steht kaum zu erwarten, dass die zumeist in Ostasien beheimateten Kamerahersteller bei der Entwicklung neuer Modelle noch allzu große Rücksicht auf die Kunden in Europa und Amerika nehmen werden. Mit wenigen Ausnahmen sind bislang 2012 nur CSCs auf der Neuheitenbühne erschienen, beziehungsweise werden in den kommenden Wochen ins Rampenlicht treten. Ich habe hier mal versucht, knapp die wichtigsten Fakten und interessantes Gerüchte zu den einzelnen Herstellern zusammenzutragen.
Fujifilm: Eine der großen Überraschungen auf der CES war sicherlich die spiegellose X-Pro1 von Fujifilm. Dass eine derartige Kamera im Laufe dieses Jahres kommen würde, hatten Insider erwartet – nicht aber, dass sie bereits ab März verfügbar sein wird. Fujifilm hat mit der X-Pro1 nicht einfach bestehende CSC-Konzepte kopiert, sondern eine Kamera geschaffen, die sich vor allem an ambitionierte Fotografen richtet. Dazu gehört auch, dass es zunächst für das neue XF-Bajonett nur drei lichtstarke Festbrennweiten (F18mmF2 R, XF 35mmF1.4 R und XF60mmF2.4 R Macro) geben wird. Vom Rest der CSC-Akteure setzt sich die X-Pro1 nicht nur mit ihrem Retro-Design und dem (vorläufigen) Verzicht auf Zoomobjektive ab, sondern vor allem auch mit diesen Features:
- 16-Megapixel-APS-Sensor, der gänzlich auf ein Tiefpassfilter verzichtet.
- Optischer und elektronischer Hybridsucher
- Dedizierte Bedienelemente, z. B. für die Belichtungsvorwahl an der Kamera; Blenden- und Fokusring an den Objektiven.
Aber auch mit einem in den USA kolportierten Preis von rund 1.700 Dollar für die Kamera und ca. 650 Dollar für jedes Objektiv setzt sich die X-Pro1 deutlich von den bisherigen Spiegellosen ab. Fast könnte man glauben, dass Fujifilm mit Preis, Design und Ausstattung der X-Pro1 auf die Kundschaft von Leica zielt. Ob es gelingen wird, dem traditionsreichen Hersteller aus Solms Käufer abzujagen?
Olympus: Olympus gehört zusammen mit Panasonic zu den Mitbegründern des CSC-Segments. Letzte Neuvorstellung für das PEN-System war das Objektiv 12-50 mm 3.5-6.3 ED EZ. Seine Besonderheit ist ein motorischer Zoomantrieb. Damit zielt Olympus (ähnlich wie Panasonic mit dem Lumix G X Vario PZ 14-42 mm F3.5-5.6 Asph.) auf Videofilmer. Das scheint mir ebenfalls ein klarer Trend für 2012 zu sein: Videoaufnahmen werden zunehmend von klassisch anmutenden Fotokameras übernommen, herkömmliche Camcorder verlieren an Bedeutung.
Wie es aussieht, hat Olympus zudem ein Herz für Fotografen mit höheren Ansprüchen entdeckt: Neusten Gerüchten zufolge wird der Hersteller auf der CP+ eine besonders robuste Micro-Four-Thirds-Kamera unter der Bezeichnung OM-D vorstellen. Ihre wichtigsten Kenndaten:
- Sensor mit 16 Megapixel Auflösung und erweitertem Dynamikbereich.
- Integrierter elektronischer Sucher mit 1,44 Millionen Bildpunkten.
- Wettergeschütztes Magnesium-Gehäuse im Stile der klassischen OM-Kameras.
Sogar ein Preis für Olympus neues Top-Modell schwirrt bereits durchs Netz, die Kamera soll ca. 1100 Dollar kosten.
Nikon scheint neben Canon (dazu gleich mehr) der einzige Hersteller zu sein, der noch die Fahne für die klassische DSLR hochhält. Doch auch das soeben neu vorgestellte Top-Modell D4 ist im Trend der Zeit: Gegenüber der Vorgängerin hat Nikon vor allem die Videofähigkeiten der Kamera verbessert und erweitert. Immerhin spielt Nikon mit dem neuen 1-System nun auch auf der Bühne der Spiegellosen mit – allerdings aus Sicht vieler Profis eher ganz am Rand. Das 1-System hat einen deutlich kleineren Sensor als andere Systemkameras (sieht man einmal vom nahezu bedeutungslosen Pentax-Q-System ab). Dadurch konnten die Nikon V1 und J1 zwar hübsch kompakt geraten, bei der Bildqualität (aber auch im Funktionsumfang) treibt das 1-System ambitionierten Fotografen indes eher die Tränen in die Augen (um nicht zu sagen: Die Zornesröte ins Gesicht).
Bislang schien es ausgemacht zu sein, dass Nikon mit dem abgespeckten 1-System vor allem sein Geschäft mit den eigenen DSLRs schützen wollte. Doch jetzt verdichten sich Gerüchte, dass auch Nikon mit einem CSC-System für Profis kommen wird. Noch sind die Angaben dazu sehr spärlich, festzustehen scheint nur: Das neue System („Nikon 2“?) soll sich durch eine ambitionierte Preisgestaltung auszeichnen und eine Auflösungen von 16 und/oder 24 Megapixel bieten. Wie schon in der Vergangenheit wird Nikon dabei wohl auf Bildsensoren Sony setzen, die aber mit einem eigenen Back-End (Mikrolinsen, AA-Filter etc.) versehen werden.
Wenig Konkretes also derzeit zur möglichen Profi-CSC von Nikon. Ganz anders zur D800, die wohl nicht nur die D700 sondern auch die glücklose D3x ablösen wird – vorgestellt werden soll sie ebenfalls auf der CP+. Die wichtigsten Eckdaten:
- Vollformatsensor mit 36 Megapixel (vermutlich von Sony)
- Zwei Varianten: Eine mit AA-Filter, eine ohne
- AF-System der D700/D3 aber mit Gesichtserkennung (ähnlich wie bei der D4)
- Videofähigkeiten auf Niveau der D4.
- Preis: Mindestens 3.000 Euro (für Variante mit AA-Filter, die ohne wird nochmals teurer)
Bei Canon ist es auffallend still – schon seit Monaten. Die letzte Neuvorstellung einer Systemkamera datiert auf den Oktober 2011 als Canon die EOS-1D X ankündigte. Die Profi-DSL wird allerdings erst ab Ende März 2012 verfügbar sein. Heftig spekuliert wird auch, dass noch in diesem Jahr eine EOS-5D III kommen könnte – was Anbetracht des Alters der 5D II sehr wahrscheinlich ist.
Grabesstille herrscht bei Canon bislang zum Thema CSC-Kameras. In der Regel gut informierte Kreise wollen allerdings die kürzlich vorgestellte Profi-Kompakte Powershot G 1X als Vorbotin eines kommenden CSC-Systems bei Canon ausgemacht haben. Als Beleg dafür führen Marktbeobachter den für eine Edel-Kompakte ungewöhnlich großen Bildsensor der G 1X an – er misst 18,7 x 14 mm und ist damit größer als der FT-Sensor bei Olympus, Panasonic & Co. Ein Argument, das einiges für sich hat – Canon wird diesen Sensor kaum ausschließlich für die recht kostspielige G 1X entwickelt haben. Denkbar ist aber auch, dass Canon weitere G- oder S-Modelle mit diesem Sensor bringen könnte – nix Genaues weiß man nicht.

Adaptiert Canon EF-Objektive an Sony NEX inkl. elektronischer Blendensteuerung: EF-E-Mount von Metabones.
Bis es soweit ist (also im schlimmsten Fall: niemals 😆 ), können Canon-Fotografen eine Sony NEX als Basis für ihren Objektivpark einsetzen. Von Metabones kommt eine Kupplung, die Canon EF-Objektive an Sony-NEX-Kameras adaptiert. Der Clou dabei: Metabones EF-E-Adapter überträgt die Signale zur Blendensteuerung von der NEX zum angeschlossenen EF-Objektiv, die Objektive lassen sich also auch in den Modi P und S nutzen.
Pentax und Ricoh gehören inzwischen in einem Atemzug genannt, nachdem Ricoh die Fotosparte von Pentax im letzten Jahr übernommen hat. Pentax hat 2011 mit dem Q-System ein recht eigenwilliges CSC-Konzept vorgestellt. Eigenwillig deshalb, weil das Q-System auf einen Winzsensor basiert, der keine bessere Bildqualität liefert als eine einfachen Kompaktkamera. Nun verdichten sich die Gerüchte, dass Pentax auf der CP+ ein neues (richtiges?) CSC-System vorstellen könnte. Es soll ein klassisches K-Bajonett aufweisen, die bisherigen DSLR-Objektive von Pentax ließen sich also an diesem System nutzen.
Von Leica wird ebenfalls noch für dieses Jahr ein neues spiegelloses System erwartet (aber kein digitales Messsucher-System!). Leica-Chef Alfred Schopf selbst schürt diese Spekulationen mit dem Hinweis darauf, dass Leica eine Kamera zwischen der X1 und dem M-System fehlt. Inzwischen kursieren Gerüchte, dass das neue CSC-System einen Sensor in APS-C-Größe erhalten wird und möglicherweise kompatibel zum (eingestellten) R-System sein soll.
Noch Zweifel, dass das Jahr 2012 das Jahr der Spiegellosen werden wird? Die werden wohl endgültig von den unabhängigen Objektivherstellern ausgeräumt. Von Tamron etwa, die Firma bietet seit Kurzem mit dem 18-200mm F/3.5-6.3 Di III VC ein erstes Objektiv für Sonys E-Bajonett an. Und auch Sigma springt auf den Zug der Spiegellosen auf. Die beiden kürzlich angekündigten Objektive 19/2.8 EX DN und 30/2.8 EX DN wird es für MFT- und Sonys E-Bajonett geben.
Und Sony? Sony wird mit dem Nachfolger der A900 (der in den Startlöchern steht) für sich die Ära des Klappspiegels endgültig beenden. Was die Fachwelt von Sony erwartet und was ich mir wünsche – dazu werde ich mir in den kommenden Tagen noch ausführlicher Gedanken machen.
Warum forcieren die Hersteller die spiegellosen Systemkameras mit der heutigen Steuerung? Ist es nur die eingesparte Mechanik? Gut die Mechanik wird vereinfacht und wesentlich schneller. Was mich mich jedoch noch zurück hält, in Kameras mit dieser Technik einzusteifgen, ist der hohe Lichtverlust. Ohne Licht keine Fotografie.
Sony für die A 77 nennt 0,6 Blendenverlust und andere reden von 30 % Lichtverlust. Entscheide ich mich beim Kauf eines Objektivs um eines mit einer 30 prozentigen höheren Lichtleistung sind aufgrund des viel größeren Linsendurchmesser und damit der größeren Glasmenge einige 100 oder gar einige 1000 Euro mehr hinzulegen, für dieses lichtstärkere Objektiv. Ist dies im Augenblick der richtige Weg?
Gruß Erich Schock
Die SLT-Kameras von Sony zählen nicht zu den „klassischen“ spiegellosen Systemkameras, obwohl Sie natürlich auch keinen herkömmlichen Schwingspiegel mehr aufweisen.
Hoch ist der Lichtverlust durch das SLT-Konzept keineswegs. Die semi-transparente Folie „schluckt“ etwa 30%, was einer halben Blendenstufe entspricht. Aus einem Objektiv mit einer Blendenöffnung von F2.8 wird also eines mit der Lichtstärke F3.4. Die SLT-Kameras gleichen diesen Verlust durch eine (intern) höhere ISO-Empfindlichkeit aus. Das macht sich erst bei höheren ISO-Empfindlichkeit, so ab ISO 3200, leicht negativ bemerkbar.
In der Praxis ist der Lichtverlust bei den SLTs eher zu vernachlässigen, da die Kameras heute bereits so gut sind, dass in den normalerweise genutzten ISO-Bereichen (bis ISO800/1600) kaum Rauschen zu sehen ist und Details noch gut wiedergegeben werden. Gepaart mit den Vorteilen des EVF sind die Sonys wirklich eine interessante Alternative am Markt auch wenn der EVF traditionelle DSLR-User etwas polarisiert.
Hallo Jens,
im Prinzip hast du ja ja Recht – das Stückchen Frischhaltefolie im Strahlengang sollte bis ISO 1600 kaum Auswirkungen haben. Bei höheren ISO-Zahlen wird es dann aber durchaus kritischer. Ein Lichtverlust von rund -0,3 EV durch den semi-transparenten Spiegel bedeutet eben zum Beispiel ISO 4800 statt ISO 3200 – schon ein gewaltiger Unterschied. Zumal nach meiner Erfahrung auch die formidablen Sony-Sensoren spätestens ab ISO 3200 in den kritischen Bereich kommen.
Welcher ISO-Bereich „normalerweise“ genutzt wird, hängt übrigens vom bevorzugten Motiv ab. Konzert- oder Theaterfotografen brauchen ständig hohe ISO-Empfindlichkeiten, auch jenseits der ISO 1600. Auch ich schraube oftmals lieber die ISOs hoch, anstatt einen Blitz hinzu zu schalten – das Blitzlicht macht halt allzu schnell die Lichtstimmung kaputt.
Das stimmt schon, dass der Lichtverlust bei höheren ISO immer schmerzhafter wird. Hier hilft aber, wenn man in RAW fotografiert, denn hier schaffen es die Kameras trotz dem Rauschen noch viele Details zu bewahren. Bis A4 lassen sich so auch mal Bilder bei ISO3200-ISO5000 gut nutzen, wenn man ein wenig Nachbearbeitung hineinsteckt.